Dieser Blog/Plattform konzentriert sich auf unseren neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nach dem Industriezeitalter. Volkswirtschaftliche industrielle Wertschöpfung ist passé. Was jetzt kommen sollte oder könnte, können wir zwar denken, die Wissens- oder Kreativgesellschaft, aber ob das alles ist, wissen wir nicht.
Dieser Blog ist der stetige Austausch und die kontinuierliche Präsentations-Plattform für Ideen und Konzepte hinter dem wirtschaftlichen Wachstum. Das klassische Wachstum, so wie wir es kannten, trägt ein Verfallsdatum! Was kommt danach? Was bewegt und motiviert uns? Wohin gehen wir? Geradewegs ins Zeitalter der Psyche plus aller neuen Erkenntnisse der Hirnforschung oder ins Sein statt Haben? Ist das vielleicht fast Ein- und Dasselbe? Oder gibt es vielmehr Grautöne als wir erahnen? Was denken Sie?
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Mittwoch, 1. September 2010
Neuropsychologie/Neuroökonomie – Der „Konsument“ – Ratio gesteuert oder Opfer seiner Gefühle?!
1. Einleitung
Der so genannte Homo Oeconomicus hat noch immer einen großen Platz in der Marketingliteratur. Jetzt kommt ein neuer Menschentyp auf den Plan, der kreative Sinn-Mensch in ebensolchen Sinn- und Stil- Gruppen.
Wo geht die Reise hin? Basiert die Diskussion auf Ratio contra Emotion? Was steuert den Menschen, der schon lange nicht mehr nur Konsument ist, sondern mündiger Mitgestalter von Marken und Protagonist der Markenaura im Web.
Gibt es den, allegorisch betrachtet, „Autopiloten“ im Kopf oder gibt es ihn nicht?
Marken waren schon immer etwas Psychologisches. Marken wurden auch in der Vergangenheit nicht von den so genannten Markenmachern von Konzernen oder mittelständischen Unternehmen gemacht, sondern sie entstanden in den Köpfen der Menschen. Demnach ist eine Marke also etwas Psychologisches und nicht Physisches. Insofern kann man Marken nur begrenzt verdinglichen oder anfassen! Die Neurowissenschaften haben in den letzten zehn Jahren dazu viele Beiträge geliefert, richtig Fahrt hat das Thema erst in den letzten zwei bis drei Jahren aufgenommen!
2. Ursache und Wirkung – was war, was ist, was kommt?
Es fing an mit der Werbewirkungsforschung, es ging um Aufmerksamkeit und Wahrnehmung, also um kommunikative Wirkungsoptimierung in jeder Hinsicht. Meines Erachtens gibt es in den Gebieten Neuropsychologie und Neurobiologie noch ein großes Potenzial, weil das Gehirn noch weitgehend unerforscht ist. Es gibt viele Werbewirkungs- und Kommunikationsforschungsbilder, die schön anzusehen sind! Man weiß, welche Regionen im Gehirn tätig werden, aber man kennt die Vernetzung und die Motive nicht.
Müssen wir uns vom Homo Oeconomicus verabschieden, der nach rationalen Kriterien entscheidet? Sind wir in erster Linie gefühlsgetrieben, also der „unreflektiert“ gesteuerte Mensch?
Vieles, was im Augenblick passiert geht weit über ursprüngliches Marketing-, Kategorisierungs- und Benennungsdenken hinaus. Wie werden Entscheidungen getroffen? Vermutlich ist es so, dass wenn wir uns entscheiden, wir uns schon vorher innerlich entschieden haben. Aufgrund vieler Verschaltungen und neuronalen Bahnungen, die Haltungen, Werte etc. determinieren.
Der Abschied vom Homo Oeconomicus ist deshalb auch dramatisch, weil er bislang zumindest die theoretische Basis für Vieles im Marketing und in der Psychologie gebildet hat. Also: Ein Mensch, getrieben von Kosten-Nutzen-Analysen! Inzwischen zeigt sich immer mehr, dass das in unseren Gehirnen nicht stattfindet!
Keiner weiß bis heute genau was Emotionen sind. Obwohl emotionales Marketing zur Zeit das Thema Nummer Eins ist.
3. Ich fühle, also bin ich!
Vermutlich ist es so, dass 90% der Kommunikation intuitiv von einem inneren Autopiloten gesteuert wird, davon ist allerdings wahrscheinlich nur ein Teil Emotion.
Es ist doch nicht so, dass Emotion immer der Antipode der Ratio ist – das ist ein veraltetes Modell! Linke Gehirnseite – rechte Gehirnseite, vermutlich müssen wir uns von diesen Vorstellungen lösen.
Wahrscheinlich geht es in Richtung impliziter Prozesse. Mit implizit ist das gemeint, was Sigmund Freud als das Unbewusste bezeichnet hat, also das rein triebgesteuerte. Der Begriff implizit ist neutraler und erschließt neue Betrachtungs- und Bedeutungsfelder, die im Marketing noch nicht zu Ende gedacht worden sind.
In impliziten Systemen findet viel Kognitives statt. Der größte Teil des Gedächtnisses, die Muttersprache, Rechnen, Reden, Lernen, die Werte etc. können diesem Bereich zugeordnet werden!
Der innere Autopilot sendet Impulse, wahrscheinlich verliert man dann, wenn man ihn einschaltet sein Bauchgefühl. Man kann planen, Probleme diskutieren und Ziele verfolgen. Am besten lässt sich der innere Pilot mit Wille übersetzen. Wille ist Charakter in Aktion!
Bauchgefühle sind Aktivierungen von Hirnregionen, die zu intuitiven Handlungen führen. Die Intuition wiederum wird vom Autopiloten gelenkt. In Untersuchungen ist festgestellt worden, dass Menschen zufriedener sind, wenn sie nicht nachdenken, sondern intuitiv handeln. Dieser Zusammenhang basiert auf einer Reihe von vielen Erfahrungen, also neuronalen Verschaltungen. Liegt das nicht vor, ist man vermutlich nicht intuitiv, sondern naiv.
4. Das Gehirn und seine Implikationen
Das Gehirn löst im impliziten System ein Problem! Das Explizite, also das Bewusste, die heute immer noch so bezeichnete Ratio, ist ein begrenztes System. Das sind vier, fünf oder sechs Eigenschaften (z.B. Zahlen). Dieses System steht mit dem impliziten System in Verbindung und gibt Informationen, z. B. Sprechen oder Autofahren – alles ist im impliziten System vorhanden.
Da gibt es keine Bits- und Bytesbeschränkungen, das implizite System macht Menschen effizient. Harvard schätzt, dass 95% der Entscheidungen für Konsum im impliziten System getroffen werden, d.h. ohne Reflektion aus einem Bauchgefühl heraus!
Viele Entscheidungen laufen mit low-involvement ab oder low-interest – eines der wichtigsten Ansätze in der Werbepsychologie, in der schon vor langer Zeit festgestellt worden ist, dass 95% der Werbekontakte (Anzeigen, Plakate, Mailings etc.) unter low-involvement ablaufen, d.h. implizit.
4. Komplexität und Homo Oeconomicus
In der Schule lernen wir, dass langes Nachdenken zu besseren Entscheidungen führt. Aber gerade bei komplexen Problemen hilft das nicht. Oft ist die drittbeste Lösung die Beste (vgl. Niklas Luhmann, Systemtheorie).
Es gibt Studien, die darauf hinweisen, dass es die implizite Ratio gibt. Wenn es also ein Muster von zwölf Produkteigenschaften gibt, dass explizite System aber nur fünf verarbeiten kann, muss der Prozess in kleineren Portionen ablaufen. Das führt dazu, dass nicht das ganze Muster der Produkteigenschaften auf dem Plan ist. Der innere Autopilot, das implizite System, kann das Gesamtmuster aufnehmen und kommt bei komplexeren Problemen zu besseren Lösung. Die Erkenntnis, dass Nachdenken nicht immer weiterführt erfordert ein Umdenken bei uns allen!
5. Faulheit auf der Überholspur der Ratio
Worum geht es bei diesen Mustern im impliziten System? Muss ich eher Wissen ansammeln oder Alltagserfahrung?
Die meisten Menschen sind, aufgrund von 2.000 – 3.000 Kontakten mit Werbung jeden Tag, Konsumexperten! Es gibt gefühlt ca. 50.000 Marken. Das alles passiert schon in frühester Kindheit, auch kleine Kinder können daher als Konsumexperten bezeichnet werden.
Der Mensch möchte gar nicht nachdenken und, was man früher immer beim Homo Oeconomicus geglaubt hat, die Ratio einschalten, sondern er will verführt werden! Also hat der so genannte Autopilot Bedürfnisse nach Storys, nach Phantasiewelten, nach Träumen. Als Beweis dafür sind hier die erfolgreichen Filme von Steven Spielberg, Harry Potter, Mangas zu nennen.
6. Markenreligion und muntere Gebirgsbäche des Sinnes
Konsum und Marken sind nichts anderes als, säkular betrachtet, Akte der Tröstung. Bei den so genannten starken Marken wird das implizite System aktiviert. Über das limbische System geht es über den Hypocampus, die Sortierstelle, dann weiter ins Großhirn und in die vielen Speicher, die im Hinblick auf Marke als Kulturspeicher bezeichnet werden können.
Wichtig ist: Lässt die Marke mich träumen? Gibt es ein Belohnungssystem? Gibt es Tröstung? Anschließend läuft es über Reiz-Leiter Systeme und über Stimulis, um Marken in dem impliziten System positionieren zu können.
Gibt es verschiedene Wege der Decodierung? Wo kommt Etwas her? Wie war die Entwicklung der Geschichte in der Kulturtheorie? Ein Beispiel ist die Farbe Schwarz, die früher für Trauer stand und auch sonst vollkommen andere Bedeutung hatte und heute der Lifestyle- und Szenerenner ist.
Es geht auch um Rituale und Belohnung, wie z. B. Kaffee trinken, wo automatisch Duft und so genannte Gemütlichkeitsbahnungen assoziiert werden. Wir wissen, dass Venedig romantisch ist, dass man der Gastgeberin beim ersten Mal möglichst keine Rosen mitbringt etc. – alles das sind Decodierungsregeln!
Unser Gehirn ist süchtig nach Neuem. Neues lernt es am besten, wenn Bekanntes mit dabei ist. Auf komplett neue Informationen und Botschaften reagiert der Autopilot irritiert, das allerdings ist auch gerade wiederum ein Thema der Kreativität, um wirklich wirklich mal in den freien Fall und auf eine neue Bedeutungs- und Muster- Prägungsebene zu kommen!
Marken als Tröstung und Belohnung? Jede Biermarke verkauft heute ein „Verflüssigungsversprechen“, was sehr schön in den Anzeigenmotiven zu sehen ist. Hier wird zu 90% Wasser gezeigt. Es geht um das, was in der Tiefe liegt, also um Tiefenpsychologie. Keiner würde sagen „ich kaufe Krombacher, wegen des schönen Sees mit der Insel“, sondern „Krombacher schmeckt mir“, aber der tiefere Grund ist eben der See und die Insel.
Wird es also so sein, dass Erfolge in neuen und zukünftigen Märkten davon abhängen, wie wir das implizite System und den Autopiloten bedienen und beeinflussen können?
Das „was“ wir tun, wird sich vermutlich wenig verändern, allerdings das „wie“! Die Basisbedürfnisse haben sich im Gehirn nicht verändert, aber wir sprechen anders, wir spielen anders, wir machen andere Liebesgeständnisse auf der Basis grundsätzlicher Bedürfnisse.
Hinter allem liegt das Streben nach sozialer Nähe. Wenn diese Muster gut bedient werden, hat StoryTelling Marketing eine hohe Eignung – Aschenputtel wird als Pretty Women neu erzählt.
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